Wir lieben Events. Es trifft sich daher gut, dass im Forschungsprojekt FiDiPub immer wieder neuartige Formate für die Buchbranche besucht, analysiert und sogar selbst ausprobiert werden. Und zwar fernab der gewöhnlichen Wasserglaslesung! Im vergangenen September veranstalteten wir beispielsweise einen Designathon, bei dem zwölf begabte Künstler*innen der Stadt Leipzig in Turbogeschwindigkeit Erstentwürfe für unser InnoLab konzipierten. Roasting-Formate und FuckUp Nights (André Hermann ist darin Meister!), Slams, Barcamps, Hackathons, artsy Pop-up-Stores, Konferenzen mit Festivalatmosphäre (re:publica!), ungewöhnliche Lesungsorte oder Formate, bei denen im Sinne der Leseförderung auch gleich mal ein neuer Haarschnitt entsteht (schaut euch unbedingt Friseur Danny Beuerbach von bookalook_and_read_my_book auf Instagram an!), lassen unsere Herzen höher schlagen, beflügeln Arbeitsalltag und Privatleben, inspirieren den Kreativprozess des Büchermachens und wirken sich im besten Falle auch noch positiv auf den Verkauf aus. Aber warum ist das so? Weil wir Menschen das Zusammenkommen, den Austausch über gute Inhalte und das gemeinsame Erlebnis lieben – egal ob analog oder digital. Inmitten all der Posts, GIFs, Likes und Shares wollen wir etwas finden und fühlen, das bleibt. Und genau aus diesem Grund hat das Live-Event 2019 ein solch großes Potenzial für die Buchbranche!
Auch andere Branchenakteure beschäftigt das Thema. Beim Jahrestreffen der Jungen Verlagsmenschen Mitte Juli am Mediacampus Frankfurt haben wir einen Workshop mit dem Titel „Die Inszenierung von Buchpremieren – Was man alles richtig machen kann“ besucht. Ludwig Lohmann, Mitarbeiter der Berliner Buchhandlung ocelot, not just another bookstore und Gründer von blauschwarzberlin, einer Anlaufstelle, die Literatur auf verschiedenste Weise ins Gespräch bringt, war für diesen Tag unser Dozent. Deutlich wurde bereits in der Vorstellungsrunde, dass es bei guten Events nicht nur um das WAS, sondern sehr oft auch um das WO und das WIE, und letztendlich immer um das WIR geht. Lohmann erwähnte, wie die Raumkonzeption zur Entfaltung und Visualisierung einer Geschichte beitragen kann. Er ging auch auf das sich inmitten der Digitalisierung stark verändernde Mediennutzungsverhalten von uns Inhaltskonsument*innen ein: „Da sich die Aufmerksamkeitsökonomien verschieben, ist es notwendig, sich mit Erlebnissen ins emotionale Gedächtnis einzuschreiben.“ Auch Leander Wattig hat sich mit seinem Blog Orbanism der Verbindung von Community und guten Veranstaltungen verschrieben und bietet ein tolles Verzeichnis an unterschiedlichen Veranstaltungsformen und -erfahrungen zur kostenlosen Inspiration. Stöbern lohnt sich und hat uns auch schon im Projekt die eine oder andere Bücher-, Werbung oder Programmidee beschert!
Event bedeutet für uns übrigens nicht gezwungenermaßen analog. Auch im Digitalen tummelt sich unser InnoTeam, privat und beruflich, rege auf #bookstagram, dem Instagram-Kosmos für Bücher, um die besten Challenges der bibliophilen, deutschsprachigen Community zu verfolgen und immer wieder gelungene Beispiele für ein Community-zentriertes Social Media Marketing aufzustöbern. Mit der #meethepublisherDE-Kampagne wurde in diesem Jahr vom Börsenverein des Deutschen Buchhandels und der Verlegerin Julia Graff – nach einer Idee von Anne Häusler – eine Challenge auf Instagram initiiert, bei der zwei Wochen lang unter täglich wechselndem Motto Einblick in den verlegerischen Alltag gegeben werden konnte. Unter dem Hashtag #wildesbuch wurde die Branche vom Börsenverein dazu aufgerufen, am Welttag des Buches (23.04.19) Bücher an unkonventionellen Orten „auszuwildern“, um potenzielle neue Leser*innen durch diese zufällige Begegnung zu gewinnen. Darüber hinaus erhielten die glücklichen Finder*innen die Chance zur Teilnahme an einem Gewinnspiel. Idealerweise wurden die Bücher von Verlagen und Leser*innen im Social Web mit Hashtag und Verlinkungen gepostet, sodass ein reger Dialog zwischen diesen beiden Akteursgruppen entstand. Auch der jährlich wiederkehrende #indiebookday2019 soll den bibliophilen Austausch im Netz anstoßen. Darüber hinaus ist es aber vor allem ein Tag der Indie-Büchermacher*innen, an dem dazu aufgerufen wird, sich als Leser*in bewusst in eine unabhängige Buchhandlung zu begeben, um dort die Produkte unabhängiger Verlage zu kaufen und sich später unter dem passenden Hashtag zu vernetzen. Seit letztem Jahr gibt es als programmatische Erweiterung die #indiebookchallenge eine Reading-Challenge, bei der Interessierte ein Jahr lang jeden Monat unter einem bestimmten Motto lesen. Aktuell kommt man beispielsweise unter dem Slogan „Lies im August einen Comic“ zusammen. Natürlich darf die Aktion #verlagebesuchen in dieser Auflistung nicht fehlen. Hier wird jährlich ein mehrtägiger Termin festgelegt, an dem Verlage ihre Leser*innen mithilfe besonderer Formate einladen und damit unvergessliche B2C-Events kreieren – von der rasanten Fragerunde im Oldtimer, gesehen beim Leipziger Liesmich Verlag, über Werkstattgespräche, Workshops und Lesungen bis hin zum gemeinsamen Mittagessen mit Verlagsmitarbeiter*innen, veranstaltet von Voland & Quist, ist hier alles möglich und erlaubt, ja nahezu gewünscht!
Als wir Lohmann damals am Ende des Workshops nach einer Formel für DAS perfekte Event fragten, konnte er nur mit den Schultern zucken. Das Schaffen emotionaler Erlebnisse kann man nun mal nicht rationalisieren. Da hilft nur: ausprobieren, miterleben, empathisch sein. Bei diesem Thema werden auch wir Wissenschaftler*innen emotional und schließen diesen Beitrag mit dem Aufruf: Liebe Buchbranche, nutzt dieses Potenzial! Die eben genannten Beispiele präsentieren nur einen Bruchteil an Möglichkeiten, wie wir unsere Community mit originellen Ideen und guten Geschichten – ungeachtet der unternehmerischen Größe – begeistern können. Und während die einen noch rastlos durchs Social Web klicken, versuchen sich die anderen schon an entschleunigenden Formaten, um – in Gemeinschaft – Stille zu zelebrieren. Beim Jahrestreffen der Jungen Verlagsmenschen wurde bis tief in die Nacht auf einer Kopfhörerparty getanzt. Auf der diesjährigen Frankfurter Buchmesse probieren wir gemeinsam mit Kreatives Sachsen zum ersten Mal das Format der Silent Reading Party aus. Ob es funktionieren wird, wir also ein Erlebnis kreieren können, das positiv in Erinnerung bleibt? Finden wir es gemeinsam heraus! 🙂