In einem von unserer Mitarbeiterin Laura Hofmann im Sommer geführten Interview gibt die Autorin Thekla Kraußeneck einen Einblick hinter die schöpferischen Kulissen und den Vermarktungsprozess ihres dystopischen Debütromans „Cronos Cube“, der am 26.05.2017 im Leipziger Liesmich Verlag erschienen ist. Die digital-affine Autorin und passionierte Gamerin sprach mit uns über die Potenziale des Social Web für ein gelungenes Autoren- und Selbstmarketing, die Möglichkeiten von Twitter als Ort des Communitybuildings und die Vorzüge transmedialen Erzählens für ein exklusives Buchmarketing.
Um was geht es in Deinem Roman „Cronos Cube“? Was sind die großen Themen?

Thekla Kraußeneck
Es geht um Überwachung und eine Virtuelle Realität, um eine verzwickte Freundschaft und Homosexualität, um Manipulierbarkeit über das Internet, den Unterschied zwischen Ideologien und Idealen, um den Wunsch nach Rebellion in der Jugend, um Flucht vor der Realität – das sind ein paar Stichworte, die mir einfallen, wenn ich an Cronos denke.
Inwieweit hattest Du während des Schreibens bereits Ideen hinsichtlich eines Buchmarketings und haben diese Ideen Deinen schöpferischen Prozess des Schreibens vielleicht sogar beeinflusst?
Ich habe mir beim Schreiben selbst noch überhaupt keine Gedanken über das Marketing gemacht. Zwar hatte ich schon den leisen Wunsch, vielleicht irgendwann einmal einen Cronos-Comic zu realisieren, aber das empfand ich nicht als Marketingmaßnahme, sondern einfach als eine neue für mich spannende Möglichkeit, die Geschichte weiterzuerzählen. Tatsächlich hat mir das Wort „Marketing“ sogar Angst gemacht, bevor ich zu Liesmich kam, und auch da musste ich mich mit dem Begriff erst anfreunden. Mir wurde schon vor der Verlagssuche geraten, mich mit dem Markt vertraut zu machen, eine Art Marktforschung zu betreiben, um herauszufinden, was gerade gut läuft und was fürs Marketing so getan wird.
Welche Aktivitäten führst Du im Sinne eines Autoren- bzw. Selbstmarketings durch bzw. über welche digitalen Kommunikationskanäle agierst du als Autorin Thekla Kraußeneck?
Meine Antwort dazu muss meiner Meinung nach vor dem Hintergrund gesehen werden, dass ich in dieser Hinsicht sehr ungeplant und impulsiv agiere, sprich: nach Lust und Laune. Von einem gezielten Autoren- oder Selbstmarketing kann nicht die Rede sein. Als Kanäle haben sich in letzter Zeit ergeben: Twitter, mein eigener Facebook-Account, die Cronos-Facebook-Seite, Periscope, die Cronos-Website cronoscube.de und mein Blog wintermohn.de. Instagram nutze ich nur sehr sporadisch; ist einfach nicht meine Welt.
Kannst Du ein paar Worte zur Neukonzeption der Cronos-Website sagen?
Die Seite soll sich zu einer umfangreichen Informationsplattform entwickeln. Das Problem bei solchen Plattformen ist, dass sie mit ihrem Wachstum auch immer unzugänglicher werden für Leute, die mit der Materie noch nie in Berührung gekommen sind. Ich stand anfangs vor einem ähnlichen Problem: Wie sollte ich die Seite aufbauen, wo sollte ich anfangen? Da kam mir die Idee, dass es toll wäre, wenn der Besucher die Seite so entdecken würde wie jemand, der sich zum ersten Mal in Cronos einloggt. Als ich anfing, merkte ich, dass ich da nichts anderes schrieb als eine Art Textadventure. So fand ich zu meinem Grundkonzept, an dem ich mich fortan orientieren will: eine Internetseite, die ähnlich wie ein Textadventure funktioniert und den Besucher interaktiv einbezieht. So betritt man etwa nach der Administration die Mystagoge und ordnet sich durch den Test selbst einer Klasse zu. Nach jedem Schritt gibt es mehrere Auswahlmöglichkeiten: Man kann sich in die Gesellschaft seiner Klasse begeben, etwa in den Hexenzirkel oder in die Kaserne der Shooter, man kann aber auch Ma’quoia erkunden oder in ein Luftschiff steigen und die Welt bereisen. Der Nachteil: Die Seite ist sehr aufwendig, und da ich sie allein bestücken muss, geht alles sehr langsam voran.
Wofür dient – im Gegensatz dazu – der Autorenblog?
Der Autorenblog ist einfach nur ein Blog. Es soll darin nicht nur mich als Autorin gehen, sondern er ist eine Plattform für Artikel, in denen ich meine Sicht der Dinge darlege, als Privatperson, die darüber hinaus auch noch Schriftstellerin ist. Moment erschöpft sich mein Mitteilungsbedürfnis allerdings auf Twitter; ich war noch nie eine fleißige Bloggerin. Aber manchmal will eben ein längeres Textstück heraus, ab und zu auch mal eine kleine Kurzgeschichte, und dazu dient dann wintermohn.de. Anfangs habe ich noch versucht, den Blog – als er noch auf cronoscube.de angesiedelt war – gezielt als Autorenblog zu betreiben, mit Artikeln über das Schreiben und meinen eigenen Schreibprozess. Damit habe ich mich allerdings nicht sehr lange wohlgefühlt.
Wie hast Du das Konzept des transmedialen Erzählens für Deinen Debütroman „Cronos Cube“ umgesetzt? Welche transmedialen Inhalte sind dabei entstanden?
Den Begriff „transmediales Erzählen“ habe ich erst durch die Zusammenarbeit mit meinem Verlag kennengelernt. Es gab kein Konzept, das ich hätte umsetzen können. Es hat sich einfach so entwickelt. Ich wusste, ich konnte mal Comics zeichnen – also fing ich einen Comic an. Ich wusste, ich wollte eine Informationsplattform haben – also grübelte ich mir ein Websitenkonzept zusammen.
Wie würdest Du die Bindung zu Deiner Lesercommunity beschreiben?
Als sehr persönlich.
Könntest Du Dir vorstellen, für weitere Werke den Co-Creation-Ansatz aufzugreifen und Deine Leserschaft aktiv in Den Schreibprozess miteinzubeziehen?
Im ersten Moment: Nein, auf keinen Fall. Nach einer Überlegung muss ich einräumen, dass ich ein solches Experiment durchaus interessant fände und unbewusst tatsächlich auch schon darüber nachgedacht habe. Und zwar ging es dabei um eine Cronos-Story auf cronoscube.de, die in kurzen Kapiteln erzählt wird. Jedes neue Kapitel würde durch die Interaktion mit der Community zustande kommen, etwa durch Abstimmungen. In einem verspielten Kontext wie diesem fände ich einen Co-Creation-Ansatz interessant. Aber ich würde die Community nicht in den Entstehungsprozess eines Romans einbeziehen.
Wie agierst du auf Twitter, deinem Hauptkanal?
Wer auf Twitter nicht als Mensch, sondern in einer Funktion auftritt, der hat wenige Chancen auf Erfolg. Es gibt viele Self-Publisher auf Twitter und etliche tragen das Wort „Autor“ im User-Namen. Die tun sich sehr schwer, weil sie mit dem Vorschlaghammer in die Community hereinbrechen. Was auf Twitter zählt, ist die viel beschworene Authentizität. Erst will man den Menschen kennenlernen, und wenn der dann auch noch schreibt, dann interessieren einen auch seine Texte. Ohne den Menschen hinter dem Account sind auch seine Texte irrelevant. Wer allzu offensichtliches Marketing auf Twitter betreibt – und das tun Autoren, die den Autor schon im Namen tragen –, der stößt die Leute eher ab. Was die meisten Twitterer wollen, ist, am Leben anderer Menschen teilzuhaben und andere Menschen am eigenen Leben teilhaben zu lassen. Wer also als Autor auf Twitter Leute erreichen will, der sollte diesen das Gefühl geben, dass sie ihn kennenlernen. Mich haben meine Follower durch meine Tweets schon in allen Gemütslagen erlebt. Somit bin ich in ihrem Erleben zu einem Menschen mit eigener Stimme und Persönlichkeit geworden, sie haben das Gefühl, mich zu kennen. Und dadurch, dass ich jeden Tag twittere, haben sich auch viele an meine Anwesenheit gewöhnt. Es gibt auch Twitterer, die das bei mir erreicht haben. Wären die plötzlich weg, wäre das seltsam und auch schade.
Du hast Dir in kurzer Zeit eine Twitter-Community aufgebaut, die (u. A.) Dein literarisches Debüt über diesen Social Media-Kanal verfolgt. Hast Du das Gefühl, dass Du Dein Buch auch mithilfe deiner Tweets verkaufst? Hast du konkrete Anhaltspunkte hierfür?
Ich glaube, dass Twitter bei den Verkäufen bislang eine wichtige Rolle gespielt hat. Es ging los mit den Followern, die das Buch kauften, weil sie das Gefühl hatten, mich zu kennen und zu mögen, also dem engen Kreis der individuellen Community. Dazu kamen die, die den Weg zur Veröffentlichung miterlebt hatten: die Lesungen, die Lektorate, und natürlich ganz wichtig: meine Aufregung. Sie waren nun neugierig, bestellten das Buch, lasen es und tweeteten positiv. Das steckte die nächsten an, die wiederum bestellten und dann tweeteten, und irgendwann tweeteten sogar Leute, die mich gar nicht kannten, dass sie es sich bestellt hätten, weil ihre Timeline von nichts anderem mehr rede.
Wie viele Follower hast Du aktuell?
1667, täglich schwankend um zwei bis fünf Follower.
Wie lange führst Du den Kanal schon und in welcher Frequenz tweetest Du täglich?
Ich habe mich im Juni 2016 angemeldet, und ich tweete so oft, dass meine beste Freundin aufgehört hat, meine Tweets zu lesen, Zitat: „Ich komm nicht hinterher.“ Dahinter steckt auch kein Plan, nur Lust und vielleicht eine kleine Sucht.
Welche konzeptionellen Vorüberlegungen hast Du hinsichtlich Deiner Tweets? Kannst Du Dein thematisches Spektrum benennen?
Wenn es eine konzeptionelle Vorüberlegung gibt, dann nur die: Der Account ist ein sehr persönlicher und dadurch authentisches Sprachrohr einer Privatperson. Es würde nicht zum Charakter des Accounts passen, wenn ich zum Beispiel nur noch Artikel retweeten würde. Alles, was mich bewegt, was mich wütend, traurig, fröhlich oder nachdenklich macht, ist erlaubt. Wenn ich mal einen Artikel unkommentiert retweete, einfach, weil ich das Thema interessant finde, dann reagieren meine Follower sehr viel weniger darauf, als wenn ich in einem Kommentar einen emotionalen Bezug zu meiner Person herstelle. Seit kurzem führe ich auch den Account @cronoscube, der eine eindeutige Themenvorgabe hat, nämlich Cronos, IT, Überwachung, etc pp. – aber das liegt mir noch kaum, ich muss mich erst einfinden. Die persönliche Komponente fehlt.
Hast Du schon einmal im Digitalen stattfindende oder digital unterstützte Events organisiert bzw. durchgeführt?
Na ja, den Hashtag #cronoscube habe ich natürlich eingeführt, aber ich glaube, das zählt nicht. Und ich habe Lesungen in Leipzig und Dresden auf Periscope gestreamt. Ich möchte vielleicht auf YouTube expandieren und dann Online-Lesungen durchführen.
Weißt Du, wo „Cronos Cube“ im Internet von der Leserschaft kommentiert/rezensiert/besprochen wird?
Ich checke jeden Tag den Hashtag #cronoscube oder die Suchbegriffe „Cronos Cube“ auf Twitter, auf Facebook eher sporadisch, die Rezensionen auf Amazon rufe ich auch regelmäßig ab, und ab und zu google ich. Google Alert habe ich nicht.
Warum eignet sich Deiner Meinung nach Twitter besonders gut, um als Autorin mit der Leserschaft zu kommunizieren?
Nicht als Autorin, sondern als Mensch, der darüber hinaus noch schreibt. Stephen King twittert auch. Oft kommentiert er die Politik, er hasst Trump, er bedankt sich für tolle Konzerte, postet Hundefotos und macht Witze. Ab und zu kommt ein Tweet, der sich aufs Schreiben bezieht. Das freut die Fans natürlich. Aber vor allem geht es auf Twitter um Nähe. Ich glaube, das ist es, warum Twitter so geeignet ist: Die Nähe zwischen den Usern.