Podcasts in der Buchbranche als „eine Möglichkeit, um Verlage und ihre Bücher sichtbarer, erfahrbarer und bekannter zu machen“ – Ein Interview mit Yvonne de Andrés über das Format des Podcasts, aktuelle Trendthemen und 6 Gründe, warum die Buchbranche jetzt in dieses kostengünstige Format investieren sollte.

Yvonne de Andrés
Aus den Ergebnissen der ARD/ZDF-Onlinestudie 2017 geht hervor, dass sich akustische Elemente im medialen Portfolio immer größerer Beliebtheit erfreuen und sich kompatibel zur mobilen Alltagssituation seiner Nutzer*innen gestalten. Ein Element dieser stark frequentierten Audioanwendungen ist der Podcast, der von 13,1 % der Internet-Nutzer*innen zumindest selten genutzt wird und vor allem von der Zielgruppe der 14- bis 29-jährigen mit 27 % auf starke Nachfrage stößt (vgl. Schröter 2017). Projektkoordinator Martin Franke interviewte Yvonne de Andrés, die bereits verschiedene Stationen im Buchhandel durchlaufen hat und aktuell als Senior Consultant bei HPC Heuschmidt und Partner Consult in Berlin tätig ist, zum medialen Format des Podcasts. Die Projektleiterin der MehrWert-Studie bei Bücherfrauen e.V. und Mitglied des Fachausschusses Digitalisierung beim Deutschen Frauenrat sprach mit ihm über aktuelle Trendthemen im Podcast, verriet, welches technische Know-how und Equipment zur Umsetzung von Nöten ist und nannte 6 Gründe, warum Buchverlage sich gerade jetzt mit diesem Format auseinandersetzen sollten.
Kannst Du uns bitte kurz erläutern, was unter einem Podcast zu verstehen ist?
Ein Podcast ist eine abonnierbare Mediendatei (Audio oder Video), die aufgezeichnet wird und in Serienform „on demand“, also auf Abruf, über das Internet angeboten wird. Der Name setzt sich aus Broadcast (deutsch: Rundruf) und iPod zusammen.
Die Feed- und Abofunktion versorgt Hörer*innen regelmäßig und automatisch mit neuem Content. Die Podcast-Episoden können zeitunabhängig heruntergeladen und gehört werden. So sind die Hörer*innen komplett unabhängig von Sendezeiten und brauchen nicht zu fürchten, eine Folge zu verpassen.
Warum Podcasts so beliebt sind, hat mehrere Gründe. Einer der Hauptgründe des jetzigen Erfolges sind die kaum vorhandenen technischen Barrieren und die neue Reichweite. Podcasts existieren seit 2000, waren aber seither eher eine Nischenerscheinung. Die neue Mega-Reichweite erklärt sich durch die Tatsache, dass Apple seine Podcast-App auf jedem neuen iPhone vorinstalliert hat. Podcasts sind heute überall dabei. Beim Pendeln, Autofahren, Joggen oder zu Hause. 73 % der Hörer*innen nutzen Podcasts auf dem Smartphone.
Hörer*innen profitieren von der Bündelung der Audio-Inhalte nach speziellen Themen und die größere Vielfalt der Geräteausstattung und der schnelleren Marktdurchdringung von neuen Devices sowie der Ausbau der Distributions- und Zugangswege wie Mediatheken, Apps, Streaming Dienste etc. als auch die wachsende mobile Nutzung. Podcasts sind grundsätzlich kostenlos. Sie werden vom Betreiber durch Werbung, durch ihre Rundfunkbeiträge oder durch den Erlös auf Plattformen finanziert.
Welche Trendthemen werden aktuell besonders im Podcast-Format aufgegriffen und reflektiert?
Es gibt eine Vielfalt an Formaten. Grob können diese in zwei Kategorien eingeteilt werden: die erste ist die der Fachthemen (Wissen, Sport, Politik, Technik, Medien & Internet) und die zweite umfasst Talk-Sendungen (Meinungen, Dialog und Interviews).
Die Kommunikation mit der Zielgruppe ist dabei sehr unterschiedlich, sowohl inhaltlich als auch von der Form her. Auf die zwei unterschiedlichen Podcast-Formate möchte ich eingehen.
Podcasts sind für Zeitungs- und Mediaunternehmen so interessant, weil sie die Hauptzielgruppe der 30- bis 49-jährigen und der 14- bis 29-jährigen Podcast-Nutzer*innen direkt erreichen. Spannend finde ich „Stimmenfang – der Politik-Podcast“ von Spiegel Online, „Berlin Mitte“ von der Berliner Zeitung, „Was jetzt?“ von Zeit Online. Der Podcast „Lage der Nation“ über tagespolitisches Geschehen von Philip Banse, Journalist (Deutschlandfunk, Heise.de u. a.), und Ulf Buermeyer, Verfassungsjurist und Richter am Landgericht Berlin, ist ähnlich aufgebaut. Der Podcast wurde von der iTunes-Redaktion zum „Politik-Podcast 2016“ gekürt und hat eine regelmäßige Platzierung unter den Top Ten der deutschen iTunes-Charts.
Im Genre der Unterhaltung möchte ich zwei erfolgreiche Podcast vorstellen. Ariana Baborie und Laura Larsson, beides Berliner Radiomoderatorinnen, treffen sich alle zwei Wochen zum selbstironischen Schlagabtausch ihres Podcasts „Herrengedeck“ mit Bier und Korn, Kümmel oder Sambuca zur Aufnahme.
„Fest und Flauschig“ mit dem Satiriker Jan Böhmermann und dem Musiker Olli Schulz zählt zu den beliebtesten Podcasts. Dieser startete am 15. Mai 2016 exklusiv auf Spotify. Jeden Sonntag besprechen sie Themen, die sie ganz persönlich bewegen. Von Kindertagesstätten mit der Zielgruppe „hochbegabte“ Kinder über mitunter peinliche Anekdoten bis hin zu medienkritischen Inhalten – Böhmermann und Schulz ziehen ordentlich vom Leder. Was das eingespielte Team ausmacht, ist eine große Portion Selbstironie und die Liebe zum Quasseln.
Es gibt keine formalen Längen-Beschränkungen. Doch kristallisieren sich je nach Genre bestimmte Längen heraus. Formate, die Fachthemen behandeln, haben oft Längen zwischen 30 und 45 Minuten, während Talk-Podcasts bis zu sechs Stunden laufen können. Hier tragen der Wortwitz, die Situationskomik und die Sprecherinnen und Sprecher den Podcast.
Inwiefern eignet sich dieses Format auch für Buchverlage?
Rund 20 Mio. Deutsche hören Podcasts. Die meisten Hörer*innen hören am liebsten am Abend zur TV-Primetime. „Beim Podcast geht es um eine gute Zielgruppenansprache und hohes Involvement der Hörer“ so Christoph Arras aus dem Marketing-Team der AS&S-Audiovermarkter.
Aus meiner Sicht gibt es diverse Gründe, warum dieses Format geeignet ist:
1. Fokus auf Inhalte
Hörer erwarten relevante Information und perfekt kuratiertes Entertainment. Verlage verfügen über spannende und relevante Inhalte in großem Umfang.
Da Podcasts vorwiegend unterwegs konsumiert werden, ist das zeitliche Investment deutlich geringer als bei anderen Medien, bei gleichzeitig potenziell höherem Wertetransfer durch den Fokus auf Inhalte und nicht auf Äußerlichkeiten.
2. Authentizität
Podcasts fokussieren sich auf die Stimme. Das ermöglicht daher eher locker, ehrlich und gelöst zu kommunizieren, als wenn gefilmt wird. Im Zentrum steht die Information, die inhaltliche Aussage und nicht die Person.
3. Gesprächstiefe
Kaum jemand betrachtet ein 10-minütiges Youtube-Video zu Ende. Die Länge von Podcasts bewegt sich zwischen 30-80 Minuten. Die Tiefe und Präzision, die eine Podcast Folge zu beliebigen Themen anbieten kann, ist unvergleichbar. Es ist, als würde man bei den Gesprächen der Interviewgäste dabei sitzen. Eine Möglichkeit, um 30-80 Minuten ungestört die Zielgruppe zu erreichen.
4. Engagement
Podcast Hörer sind treue Abonnent*innen. Sie hören statistisch belegbar in über 90 % der Fälle jede Folge! Die Tatsache, dass jede*r neue Hörer*innen alle Folgen (ab Folge 1) hört, führt zu exponentiellem Wachstum gemessen an „Listens“ (Anzahl der Male, in der einzelne Folgen gehört werden).
5. Perfekte Ergänzung des Marketing-Mix
Podcaster (Podcast-Gastgeber) entwickeln unterschiedliche Marketing-Strategien, um ihre Reichweite zu erhöhen und mehr Kunden zu gewinnen. Podcasts sind ein kostengünstiges Positionierungsinstrument und eine Möglichkeit, um Verlage und ihre Bücher sichtbarer, erfahrbarer und bekannter zu machen. Podcast generieren neue Kontakte und stellen diese auf eine stabile Vertrauensbasis. Menschen kaufen von demjenigen, den sie für einen loyalen Experten halten. Der Vorteil von Podcasts ist aktuell das Timing.
6. Einfache Umsetzung
Kein großes Equipment. Ein Mikrofon reicht aus. Podcasts sind einfach zu produzieren und bieten eine schnelle Möglichkeit, die Kommunikation mit neuen potenziellen Leser*innen und Kund*innen aufzunehmen.
Welche Themen und Inhalte eignen sich für einen Podcast in der Buchverlagsbranche?
Die Themen können mannigfaltig sein, vom Interview mit Autor*innen, Gesprächen über die Arbeit im Verlag, Vorstellung von Mitarbeiter*innen, Schwerpunkte der Arbeit, Zusammenhänge oder den Blick hinter die Kulissen eines Verlages etc..
Kannst Du uns Best Practices aus der Buchbranche nennen?
Ja, „Bücher! Der Lübbe Audio-Podcast“ oder „Literaturcafe.de“ von Wolfgang Tischer und Team.
Die Projektinitiative FiDiPub unterstützt die sächsische Kleinverlagsbranche in den verschiedenen Digitalisierungsprozessen. Welche Argumente würdest Du Akteur*innen dieser Branche gegenüber äußern, die zukünftig in das Podcast-Format investieren möchten?
Zum Teil habe ich dies bereits ausgeführt. Des Weiteren verändert die digitale Transformation die Arbeit der Verlage. Sie eröffnet für die Verlage aber auch neue Distributionswege und ermöglicht die Mehrfachverwertung von Informationen, die sich leicht veränderbar speichern und kostengünstig übertragen lassen.
Arbeitsprozesse müssen zukünftig transparenter und sichtbarer werden. Es wird nicht ausreichen, die neuen Titel in der Vorschau, auf VLB-TIX oder auf der eigenen Website zu bewerben. Der Podcast ist ein weiteres Marketinginstrument. Wichtig ist ein Marketing-Mix, der die diversen Social-Media-Kanäle bedient und dabei die richtige Zielgruppe erreicht.
Was für technisches Know-how und Equipment wird für eine Podcast-Produktion benötigt und in welchem finanziellen Rahmen bewegt sich dies? Kannst Du kostenlose oder kostengünstige Tools empfehlen?
Zur Produktion eines Podcast würde ich ein professionelles Großmembran-Studiomikrofon empfehlen. Dies könnte zum Beispiel das RØDE NT2 sein. Darüber sollte die Entscheidung getroffen werden, ob mit Stativ oder mit beweglichem Gelenkarm gearbeitet wird. Persönlich bevorzuge ich die zweite Variante. Bei der Auswahl ist es wichtig, ein stabiles bewegliches Modell auszusuchen. Meine Empfehlung ist das Keepdrum NB35 Gelenkarm Tisch-Stativ. Dazu sollte noch ein ca. drei Meter langes USB-Kabel wie zum Beispiel LINDY USB 2.0 Kabel ausgewählt werden.
Die Aufnahmesoftware „Audacity“ ist kostenfrei und kann auf den PC heruntergeladen werden. Aufnahmeknopf drücken und schon kann es losgehen. Wer die Investition mit dem Mikrofon noch nicht tätigen möchte, kann das eingebaute Mikrofon des Notebooks oder PCs zum Test erstmals verwenden.
Die Kosten liegen ca. bei 240 bis 300 EUR.
Eine gute Anleitung und Zusammenstellung findet man hier beim Landesmedienzentrum Baden-Württemberg Baden: https://www.lmz-bw.de/podcasts
Ein wichtiges Thema für die Verlagsbranche ist das Schaffen neuer digitaler Erlösmodelle. Kannst Du uns sagen, wie sich Podcasts für Buchverlage monetarisieren lassen?
Es gibt da verschiedene Möglichkeiten. Aus der Studie „Spot on Podcast– Hörer und Nutzung in Deutschland 2017/18“, ARD Werbung Sales & Services/AS&S Radio wissen wir, dass über 87 % der Hörer*innen Werbung akzeptieren. Zwei übliche Werbeformen sind die Pre-Role und Mid-Role. Die Pre-Role ist eine 15-sekündige Werbeeinblendung gleich zu Beginn des Podcasts, wie zum Beispiel die Werbung des Lohnsteuerhilfevereins Vereinigte Lohnsteuerhilfe e. V. bei „Stimmenfang ‒ der Politik-Podcast“.
Die Mid-Role, die 60 Sekunden lang dauert, unterbricht den Hauptteil eines Podcasts, die Interviews. Beide Werbetexte trägt der Sprecher/die Sprecherin persönlich vor, denn der Podcaster genießt die Autorität und das Vertrauen seiner Podcast-Hörer. Pre-Role und Mid-Role sind nur deshalb so wirksam, weil der Podcaster als Markenbotschafter auftritt.
Weitere Erlöse lassen sich in sehr kleinem Umfang über das Einstellen der Podcasts auf den diversen Portalen von iTunes, Google Play, Spotify, Soundcloud oder Deezer und andere erzielen.
Sponsoring, Spots und Native Advertising kommen nach Aussagen der Audiovermarkter bei den Hörer*innen gut an und werden nicht als störend empfunden. „Native Advertising“ gilt als die „sympathische Werbeform“. Gemeint ist, dass eine Werbebotschaft so gut verpackt ist, dass sie als solche nicht zu erkennen ist und sich vom redaktionellen Umfeld wenig abhebt und somit positiv aufgenommen wird.
Und zum Schluss interessiert uns natürlich brennend, was Dein aktueller Lieblingspodcast ist?
Ich habe eine Reihe an Podcasts abonniert. Zu meinen Lieblingspodcasts gehören BR-Podcast „ZÜNDFUNK – Generator“, Deutschlandfunk – „Hintergrund“ und Radio Eins ‒ „Blaue Stunde“.
Quelle:
Schröter, C. (2017): Audiowelten im Wachstum. Zur Radio-, Audio- und Streamingnutzung im Internet. Ergebnisse der ARD/ZDF-Onlinestudie. Media Perspektiven, 09/2017, S. 463-471.